Podcast-Episode mit Dr. Patrick Tidmarsh

Nur 2,6% der Sexualverbrechen werden angeklagt – Patrick Tidmarsh über die Veränderung der Ermittlungen bei Sexualverbrechen

In der neuesten Folge von „Beyond a Reasonable Doubt“ (Jenseits eines begründeten Zweifels) beleuchtet Dr. Patrick Tidmarsh einige der drängendsten Fragen im Bereich der Ermittlungsbefragung, insbesondere bei Sexual- und Beziehungsdelikten. Dr. Tidmarsh, ein renommierter Experte mit jahrzehntelanger Erfahrung sowohl in der Behandlung von Straftätern als auch in der polizeilichen Ausbildung, diskutiert mit Dr. Ivar Fahsing über die tiefgreifenden Auswirkungen seines Konzepts „The Whole Story“ auf strafrechtliche Ermittlungen.

Zusammenfassung

  • Ermittlungen bei Sexualstraftaten neu gestalten: Dr. Patrick Tidmarshs „The Whole Story“-Ansatz setzt sich für ein ganzheitliches Verständnis von Tätern und Opfern ein und verändert die Art und Weise, wie Sexualverbrechen untersucht und innerhalb der Polizeisysteme behandelt werden.
  • Hinterfragen von Missverständnissen: Die Diskussion beleuchtet kritische Themen, darunter die niedrigen Melderaten (nur 5 % innerhalb von 72 Stunden) und den Mythos der hohen Falschmeldungen, der eher bei 5 % liegt. Außerdem werden die Auswirkungen der tief verwurzelten Frauenfeindlichkeit auf das Vertrauen der Opfer und die Qualität der Ermittlungen angesprochen.
  • Auswirkungen und Fortschritte: Durch die Einführung von Trainingsprogrammen, die auf „The Whole Story“ beruhen, haben die Ermittler die Beschuldigung von Opfern reduziert, die Bearbeitung von Fällen verbessert und die Zufriedenheit der Opfer erheblich gesteigert, was den Weg für einfühlsamere und effektivere Polizeipraktiken ebnete.

Der Ansatz der ganzen Geschichte

Dr. Tidmarshs Ansatz betont ein ganzheitliches Verständnis von Sexualverbrechen. Er argumentiert, dass eine effektive Polizeiarbeit mit einem tiefen Verständnis der Täter beginnen muss, was wiederum die Erfahrungen und Reaktionen der Opfer verdeutlicht. Sein Ansatz hat neue Dimensionen und Instrumente für Praktiker eingeführt und die Art und Weise, wie Sexualverbrechen in den verschiedenen Polizeisystemen behandelt werden, grundlegend verändert.

Berichterstattung und Missverständnisse

Einer der auffälligen Datenpunkte, die im Podcast besprochen werden, ist die alarmierende Statistik, dass nur etwa 5 % der Opfer sexuellen Missbrauchs das Verbrechen innerhalb von 72 Stunden anzeigen. Diese Verzögerung ist bedeutsam, nicht weil sie eine Schuld des Opfers impliziert, sondern weil sie die immensen Herausforderungen verdeutlicht, denen sich die Opfer gegenübersehen, wenn sie sich melden. Dr. Tidmarsh weist darauf hin, dass gesellschaftliche und systemische Hindernisse, wie z.B. die tief verwurzelte Frauenfeindlichkeit in der Polizeiarbeit, die Opfer oft davon abhalten, Anzeige zu erstatten. In der Vergangenheit galten Fälle von Sexualverbrechen nicht als „richtige Polizeiarbeit“ und wurden oft an den Rand der Polizeiarbeit gedrängt.

Frauenfeindlichkeit und Polizeiarbeit

Die Diskussion berührt auch das allgegenwärtige Problem der Frauenfeindlichkeit in der Polizeiarbeit, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit Fällen von Sexualverbrechen. Dr. Tidmarsh weist darauf hin, dass sich dies nicht nur auf die Qualität der Ermittlungen auswirkt, sondern auch auf die Zufriedenheit und das Vertrauen der Opfer in den Justizprozess. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Trainingsprogramme, die den „The Whole Story“-Ansatz einbeziehen, die Opferbeschuldigung unter den Ermittlern deutlich reduzieren und den Umgang mit diesen sensiblen Fällen insgesamt verbessern.

Falschmeldungsraten

Ein weiteres wichtiges Thema, das angesprochen wird, ist das Missverständnis über Falschmeldungen. Im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Mythos, dass die Zahl der Falschmeldungen bei Sexualverbrechen hoch ist, zeigen Forschungsergebnisse, dass die Rate der Falschmeldungen tatsächlich zwischen 2 und 10 % liegt, wahrscheinlich eher bei 5 %. Dr. Tidmarsh betont, dass die meisten Menschen, die Sexualverbrechen melden, die Wahrheit sagen und dass ein besseres Verständnis der Natur dieser Verbrechen den Ermittlern helfen kann, die Wahrheit besser zu erkennen.

Auswirkungen und zukünftige Richtungen

Der „The Whole Story“-Ansatz hat nicht nur die Ermittlungspraktiken verändert, sondern auch einen messbaren Einfluss darauf gehabt, wie die Opfer ihre Behandlung durch die Polizei wahrnehmen. Nach der Einführung spezieller Schulungen und Ansätze, wie sie von Dr. Patrick Tidmarsh befürwortet werden, haben sich die Zufriedenheitsraten der Opfer deutlich verbessert. Dieser Wandel ist entscheidend in einer Landschaft, in der das Vertrauen in die Polizei für eine wirksame Justiz entscheidend ist.

Fazit

Dr. Patrick Tidmarshs Beiträge zur Befragung von Ermittlern unterstreichen einen wichtigen Wandel hin zu einer einfühlsameren, informierteren und effektiveren Polizeiarbeit. Seine Arbeit beeinflusst und gestaltet den Umgang mit Sexual- und Beziehungsdelikten weltweit neu. Sie zielt darauf ab, ein Justizsystem zu fördern, das die Erfahrungen der Opfer wirklich versteht und respektiert und gleichzeitig rigoros nach der Wahrheit sucht. Da wir uns auf weitere Innovationen in diesem Bereich freuen, ist es klar, dass die von Experten wie Dr. Tidmarsh geschaffenen Grundlagen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung zukünftiger Praktiken in der Strafjustiz spielen werden.